Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

MINCK: Einsame Inseln (Review)

Artist:

MINCK

MINCK: Einsame Inseln
Album:

Einsame Inseln

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Psychedelischer deutscher Liedermacher-Rock

Label: Bauturm Records
Spieldauer: 38:32
Erschienen: 30.04.2021
Website: [Link]

Oliver MINCK schwelgt zwar nicht im Siebten Himmel, aber er ist schon seit geraumer Zeit mit WOLKE unterwegs, einem minimalistischen Piano-Pop-Duo, das von 2005 bis 2012 aktiv war, um dann hinter dem Wolkenschleier mit DIE SONNE, seinen nächsten musikalischen Himmelskörper, heraufzubeschwören.

Vom Himmel hoch begibt sich MINCK, nun nur unter Einbeziehung seines Nachnamens, solistisch auf „Einsame Inseln“, auf denen gleich mal mit dem noch sonnigen, aber ziemlich seltsamen „Heute“ sowie dem extrem düsteren „Echt“ und dem der Apokalypse entgegenrudernden „Sommer für immer“ eine 'Monster-Trilogie' lauert, welche zugleich als dreiteilige Musik-Video-Serie verfilmt wurde, in der das Monster wie ein abgeschossener Riesen-Truthahn erscheint, der sehr liebevoll nicht von MINCKs Seite weicht. Das klingt wirklich etwas abgefahren und passt damit bestens zu „Einsame Inseln“.

Irgendwo zwischen FORTUNA EHRENFELD, GISBERT ZU KNYPHAUSEN oder TILMANN ROSSMY und PRAG findet auch MINCK seine spezielle Musik-Insel, die er, ohne auf Stromschnellen oder Untiefen zu achten, anrudert und dabei mit eigenartigen Texten Bilder malt, die einen beim Hören durchaus verunsichern können, wenn solche Zeilen wie „Ich verlasse einen Traum / Der niemals schlief“ („Am Ziel“) oder „Ich war mal wieder im Irrenhaus / Doch es waren keine Irren da / Nur lauter Gesunde“ („Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt“) und „Solange ich lebe, hab ich mir geschworen / Werd ich aus Prinzip nur das Falsche tun“ („Ich werd mich niemals ändern“) auftauchen.

Die Songs selber entwickelte MINCK zunächst im Homeoffice mithilfe analoger und elektronischer Instrumente und zeichnete so eine Art klangvoller musikalischer Skizze. Dann erst ging's ins Studio des Produzenten, wo auch bereits sein Gitarren-Kollege von DIE SONNE wartete, um dem gesamten Album den entsprechenden Feinschliff zu verpassen. Und dabei ist nicht nur – wie bereits verkündet – textlich eine hochinteressante Mischung herausgekommen, sondern auch aus musikalischer Sicht, die von verspielt bis experimentell, alles bereithält, was man sich nur wünschen kann. Mitunter schimmert dabei sogar ein wenig der Experimentier-Geist von RADIOHEAD durch.

Manchmal weckt MINCK sogar den Eindruck, als wollte er mit allen Mitteln verhindern, einen echten Hit rauszuhauen – obwohl er eindeutig das Zeug dazu hätte – nur um nicht in Pop-Gefälligkeiten oder 'Mainstreamismen' abzugleiten und für austauschbar gehalten werden könnte. Ob Text oder Musik, beim Hören unterliegt man dem Zwang auch hinzuhören und legt das Album garantiert nicht bei der nächsten Familienfeier auf. Das wäre viel zu anstrengend und sicher mit einigem Ärger verbunden. Denn wenn man, wie beispielsweise auf „Heute“, von plötzlich auftauchenden Elektrobeats überrannt wird oder eine anfängliche Pop-Melodie ins Extreme ausbricht, dann ist der musikalische Hausfrieden in Gefahr.

Einsame Inseln“ gibt es viele. MINCK bevölkert sie auf unterschiedliche Weise. Da gibt’s naiv-einfache Vegetation oder dunkles Vulkangestein oder Hippie-Manie im Dschungel, die zu einer Textzeile wie „Heute ist Krieg“ tänzelnd durch die Gegend wippt und so gar nicht passend erscheint. Und wenn dann mit großem Erinnerungsfaktor, musikalisch wie textlich, ein „Lange nicht gesehen“ ausgesprochen und -gesungen sowie mit einer fetten Brise schwarzem Humor gewürzt wird, breitet sich beim Hörer vielleicht sogar ein schelmisches Lächeln aus, während urplötzlich lautstark die Gitarren losbrettern.

MINCK klingt, als würde er sich mit seinem manchmal etwas schnodderigen Gesang nicht ernst nehmen wollen, doch wie ernst ihm sein Album ist, das eine „Einsame Insel“ nach der anderen in mal stilles und mal tobendes, mal klares und mal verdecktes Gewässer pflanzt, erkennt man ganz schnell. Unüberhörbar.
Der B-Seiten-Opener „Wie es scheint“, ein Duett mit richtig guter Sängerin, verbreitet dann gleich mal MASSIVE ATTACK-Faszination und die Electro-Beats werden uns gerade auf dieser Seite mit immer wieder spannenden Wendungen überraschen.
Nur wenn er „Wir brauchen einen Hit“ singt, um dann „Wir brauchen eine Bombe“ anzufügen, dann ist klar: „Einsame Inseln“ ist eine bombige Platte, die eigentlich ein Hit sein sollte. Nur wie kann man auf „Einsamen Inseln“ eigentlich einen Hit landen?

Und für die echten Insider und Liebhaber des polnischen Musik-Genies NIEMEN gibt’s hier außerdem noch eine ganz heiße Empfehlung. Wer bei „Hit“ nicht auch ein wenig was von Niemens „Katharsis“ heraushört, der wird wohl eins der großartigsten Alben, die je aufgenommen wurden, noch nicht kennen.

So, wer jetzt nicht neugierig geworden ist, der darf gerne weiterhin seine überlaufene Radio-Insel bevölkern und die ewig gleiche deutsche Popmusik hören, in der angeblich mal kurz die Welt gerettet wird oder eine Frau Louisan mit piepsiger Stimme unter dem Titel „Kitsch“ tatsächlich schlimmsten Kitsch verbreitet. Ihr jedenfalls seid nicht reif für einsame MINCK-Inseln: „Und wäre ich eine Katze und hätte sieben Leben / Würde ich sieben Leben lang das Gleiche tun“, während nach dieser fast gnatzigen Feststellung aus heiterem Himmel brachiale Gitarren eine unerbittliche Schneise durch unsere Gehörgänge fräsen.

FAZIT: Lasst uns „Einsame Inseln“ bevölkern! Besonders wenn sie so klangvoll wie die von MINCK sind und deutsche Texte zu bieten haben, die tatsächlich hörens- und lesenswert sind und den grauen Zellen so einiges abverlangen, statt sie mit Schmalz zu verkleistern. Ein Album, das ein echter Lichtblick unter all den dunklen Schattenseiten deutschsprachiger Rockmusik geworden ist.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2938x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Seite A (17:11):
  • Am Ziel (2:02)
  • Heute (3:05)
  • Lange nicht gesehen (3:50)
  • Echt (3:02)
  • Hit (5:12)
  • Seite B (21:21):
  • Wie es scheint (3:58)
  • Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt (3:13)
  • Endlich Raucher (2:57)
  • Ich werd mich niemals ändern (3:52)
  • Sommer für immer (3:19)
  • Herzschlag (4:02)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier bellt?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!